Straßennamen können den Wert und das Gesicht von Immobilien beeinflussen
Der Klang hebt oder senkt den Preis
Im Grunde ist es ähnlich wie beim Monopoly-Spiel: auf der ´Park-Straße` und der ´Schloß-Allee` befinden sich die teuersten Häuser.
Oft jedoch wird im wirklichen Leben von Stadtverwaltungen und Kommunen übersehen, welche Auswirkungen über kurze oder lange Zeit Straßennamen auf den Wert und das Aussehen von Immobilien haben können.
“Empirisch gründlich untersucht ist dieses Thema noch nicht, aber robuste Erfahrungen von Immobilienmaklern sprechen dafür”, äußert sich Stephan Kippes, ordentlicher Professor an der Fachhochschule in Geislingen/Steige und einziger Lehrstuhlinhaber für Immobilienmarketing und Maklerwesen in Deutschland, durchaus überzeugt.
Das Image einer Wohn- oder einer Gewerbeanlage im Auge zu behalten. ist eine nicht unerheblich ökonomische Entscheidung, wie sich zeigt.
Michael Hakenmüller, 72379 Hechingen
Wer als Adresse im Briefkopf ´Hauptstraße` oder ´Bahnhofstraße` angegeben hat und sogar dort seine Immobilie verkaufen will, muss damit rechnen, dass sich Interessenten von vorneherein abwenden, weil sie bei diesem Standort an ständigen Lärm oder schlechte Luft denken, oder sogleich den Verkaufspreis als für zu hoch einschätzen.
Ganz zu schweigen von der Visitenkarte, deren Verteiler damit ja gezielt einladend wirken will.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Die ´Hauptstraße` in Heidelberg ist jene, welche in Deutschland am stärksten von Touristen aus aller Welt bevölkert wird, die ´Bahnhofstraße` in Zürich steht unter den zehn teuersten Straßen der Welt an sechster Stelle. “Die Frage ist doch, ob eine solche Straße zum Bahnhof hinführt oder daran vorbei”, meint Kippes.
Eine unbekannte Seite von Immobilienmarketing
Vor allem für Gewerbeimmobilien ist die Strategie mit den Straßennamen ein sicherer Weg, die höchste Rendite zu erzielen. Die zentralste Verkaufsader einer Stadt sollte sich ´Königsstraße` wie in Stuttgart, oder noch einprägsamer nur kurz ´Kö´ (für Königsallee) wie in Düsseldorf nennen, ´Kurfürstendamm` wie in Berlin oder ´Kaiserstraße` in Reutlingen. Wenn es dann nicht anders geht, kann aus der Hauptstraße klangvoll eine ´Hohe Straße` wie in Köln werden, oder aus einer Anreihung von Kaufhäusern ´Die Zeil` wie in Frankfurt.
Früher haben sich die Stadtplaner fast nur Gedanken um das Polizeiordnungsrecht gemacht, welches vorschreibt, dass sich Einwohner und Besucher eines Ortes darin eindeutig zurechtfinden müssen. Die Gründungsväter hatten ohnehin meist ihre eigenen Sippen- oder Flurnamen vor Augen, nach denen sie die ersten Straßenzüge benannten.
Immerhin gilt mittlerweile das ungeschriebene Gesetz, neue Straßennamen vielleicht nach plötzlich berühmt gewordenen Sportlern, aber nicht nach lebenden Politikern zu taufen. “Man weiß nicht, welche charakterlichen Veränderungen diese noch an den Tag legen…”, mutmaßt Stefan Dvorak, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Vermessung der Stadtverwaltung in Reutlingen.
Bei dem anhaltendem Boom von neuen Häusern und Wohnanlagen in den weit verzweigten Vororten Reutlingens “entscheiden sich die Gemeinderäte wieder zunehmend für alte Gewann- und Flurnamen“, erklärt Dvorak. Vermutlich vermitteln diese langfristig im Zeitalter des Globalismus mehr das Gefühl von Heimat und Identität des Standortes.
Heimat stiftend
Und genau hier sollten Stadtplaner und Räte einsetzen, wenn sie den Erwerbern von Bauland Voraussetzungen für eine werterhaltende oder gar wertsteigernde Immobilie bereitstellen wollen. Wo früher alte Flurnamen wie ´Mehlsack` oder ´Hinter Rieb` wie in Hechingen mit Aussicht auf die Burg Hohenzollern unbedenklich zu Straßennamen wurden, hat man dort umgelernt. Nun heißen die Verkehrswege in den Neubaugebieten ´Helle` oder ´Baumgarten` und siehe da sie sind neben dem alten Wohnviertel ´Am Fürstengarten` auf den Quadratmeterpreis umgerechnet zu den teuersten Wohnplätzen dieser einstigen Residenzstadt geworden.
In Reutlingen wird zur Zeit durch Abriss von Industriebrachen (zumeist früherer Textilfabriken) selbst im Zentrum der einst freien Reichsstadt attraktives Bauland frei. “Da liegt es manchmal auf der Hand, einfach alte traditionsreiche Straßenzüge in der Nähe dorthin zu verlängern“, verrät Stefan Dvorak, leitender Stratege im Stadtentwicklungsamt.
Straßenumbenennungen indes wären immer das letzte Mittel, denn diese würden vor allem den Anwohnern nicht nur unnötig hohe Kosten für neues Briefpapier, Stempel, oder Hausnummernschilder verursachen, sondern für ältere Bürger auch die Orientierung erschweren.
Besonders bei Gewerbeimmobilien erhöht in Verkaufs- und Werbeanzeigen der exklusive Name des Standortes das Image und den Preis der Ware.
“Bauträger arbeiten heutzutage manchmal mit dem Trick, Neubauten in zweiter Reihe mit Seiteneingängen zu berühmten Straßenzügen oder Fußgängerzonen auszustatten (etwa durch ein
a hinter der Hausnummer) und so beim Verkauf mit dieser erstklassigen Adresse zu werben“, hat Stephan Kippes beobachtet, welcher auch für den Ring Deutscher Makler (RDM) wissenschaftliche Untersuchungen durchführt.
Wo nicht ein Fluss oder ein Park, so ist doch fast in jedem Ort ein Wasserlauf oder eine erholsame Grünzone vorhanden. Anstatt eines x-beliebigen Straßennamens wirken Bezeichnungen wie ´Brunnenplatz`, ´Zur schönen Aussicht`, ´Alter Garten`, ´Wiesenweg`, ´Sonnenhain` oder eben ´Waldstraße`, immer noch zukunftsträchtiger. Nicht zuletzt wirken sie sich positiv auf das Wohngefühl und die Bauweise ihrer Anlieger aus.
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